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HESPERUS-WERKE c.m.b.
STUTTGART.
Eingetragene
CANNSTATT
Hauptstätterstrasse Nr. 124 Bismarckstrasse Nr.34
Fernsprecher Nr. 11783 Schutz- on Marke Fernsprecher Nr. 59
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H.
Einleitung
Telegramm-Adresse: er Hesperuswerke Stuttgart
Seit etwa 25 Jahren ist das Fahrrad in seiner Grundform unverändert geblieben.
Das Hochrad wurde in den 90er Jahren vom Niederrad verdrängt, das seitdem nur
geringfügiger Vervollkommnungen prinzipieller Natur, wie Freilaufnabe, verstellbare Lenk-
stange usw. erfahren hat. Nicht selten versuchten zwar Erfinder das Fahrrad von Grund
aus zu verbessern, sie hatten aber damit wenig Erfolg, weil die Neuerungen keinen er-
heblichen Vorteil gegenüber dem alten Rad aufzuweisen hatten. Nun ist es dem in
Fachkreisen bekannten Konstrukteur, Oberingenieur Jaray, Friedrichshafen, gelungen,
ein von der seither üblichen Bauart der Fahrräder abweichendes und wesentlich verbessertes
Fahrrad zu konstruieren. Die bisherigen Vorführungen und praktischen Erprobungen
lassen keinen Zweifel darüber bestehen, daß es sich hier um eine Erfindung handelt,
die für die Entwicklung des Fahrrads von größter Bedeutung ist; stellt sie doch dem
bisherigen Fahrrad ein neues Fahrzeug (auch Zweirad) zur Seite, das durch seine
großen Vorzüge einem wirklichen Bedürfnis der Allgemeinheit entspricht und deshalb
überall großes Interesse erweckt.
Besonders die verhältnismäßig große Zahl von Personen, die bisher aus Gesund-
heitsrücksichten auf das Radfahren verzichten mußte, wird es sehr begrüßen, nunmehr
ein Fahrzeug zu besitzen, das dem Fahrer große Bequemlichkeit und Sicherheit
bietet und allen in gesundheitlicher Beziehung an ein Fahrrad zu stellenden
Anforderungen gerecht wird. Dabei kommt noch in Betracht, daß durch das neue
Fahrzeug auch dieser Personenkreis ein Beförderungsmittel erhält, dessen Anschaffung
sich in Rücksicht auf die teuren Verkehrsverhältnisse schon nach kurzer Zeit lohnen wird.
Die Aufgabe, die sich der Erfinder beim Entwurf des neuen Rades gestellt hat,
war die Ausschaltung sämtlicher Nachteile des heutigen Zweirads unter Schaffung eines
für jedermann benützbaren Fahrzeuges, das in seinem Aufbau, wie in seiner Behandiung
möglichst einfach und bequem ist.
Bezeichnung
Familienrad
Niederer Sitz
Bequemes und
gefahrloses Auf-
und Absitzen
Leichtes Erlernen
Einstellen des Sitzes
nach der Größe
des Fahrers
Hebelantrieb
Haltbarkeit
der Drahtseile
Drei Übersetzungs-
stufen ohne
Getriebe
Wir haben die Massenfabrikation dieses neuen Fahrzeugs aufgenommen und
lassen im Nachstehenden eine genaue Beschreibung, die insbesondere auch für den
Nichtfachmann verständlich ist, folgen:
Zu Ehren des Erfinders wurde für die Bezeichnung des Rades der Anfangs-
buchstabe seines Namens gewählt, daher der Name J-Rad.
Aus umstehender Abbildung ist das Aeussere des Rades deutlich zu ersehen. Es
eignet sich zugleich für Damen und Herren, für kleine wie für größere Personen, und
ist deshalb das ausgesprochene Familienrad, da es sowohl von Mutter und Vater, wie
von Tochter und Sohn benützt werden kann.
Die besondere Art des Antriebs macht eine so tiefe und bequeme Lage des Sitzes
möglich, daß die Füße jederzeit auf den Boden gestellt werden können. Es gibt un-
zählige Fälle, bei denen die Anschaffung eines Fahrrades unterbleibt, weil der Betreffende
vor dem Aufsteigen, besonders aber vor dem Absteigen bei plötzlich auftauchenden
Hindernissen eine unüberwindliche Scheu besitzt.
Die beim bisherigen Fahrrad notwendige, mehr oder weniger schwierige
Turnübung bis zur Erreichung des Sattels des sich schon in Bewegung befind-
lichen Rades fällt beim J-Rad weg. Bei Stillstand des Rades nimmt man den Sitz
ein und fährt dann ab. Das Erlernen des Fahrens ist so äußerst leicht und nicht
mit Sturzgefahr verbunden. Will man aber oder „muß“ man halten, so stellt man
die Füße auf den Boden, was geschehen kann, ohne den Sitz zu verlassen.
Diese Vorteile werden die Fahrer, die in größeren Städten oder in verkehrsreichen
Strassen auf den Gebrauch des Fahrrads angewiesen sind, besonders angenehm emp-
finden. Auch Damen und ältere Herren werden diese Neuerung sehr begrüßen. Durch
diese Vorzüge eignet sich das Rad außerdem auch für Kriegsbeschädigte, die auf die
Benützung eines Fahrrades wegen des hohen Sitzes bisher verzichten mußten.
Der Sitz kann je nach der Größe des Fahrers auf einfache Art eingestellt werden;
seine Lage verändert sich dabei weniger nach oben oder unten als nach vor- ‚oder
rückwärts, so daß die Bequemlichkeit des niederen Sitzes für alle Personen, ob groß
oder klein, erhalten bleibt.
Der Antrieb erfolgt nicht wie beim heutigen Zweirad mit Kurbel und Kette oder
Welle, sondern mittels zweier Hebel, die nach vorne getreten werden und bis zu einem
gewissen Grad unabhängig von einander sind, so daß mit dem Hub des einen Tret-
hebels schon begonnen werden kann, ehe der Hub des andern zu Ende ist. Der ins-
besondere bei steilen Bergen lästige Totpunkt ist also völlig vermieden, so daß an-
dauernd ein gleichmäßiges Treten ohne Druckverminderung ermöglicht ist. Die Kraft-
übertragung auf das Hinterrad erfolgt durch einfache Zugorgane (Drahtseile), die eine
größere Sicherheit bieten als jede Kette, weil sie aus einer Menge feiner Drähte zu
einem Seil zusammengewirkt sind und ein plötzliches Abreißen, wie das bei der Fahr-
radkette durch Brechen eines Gliedes erfolgen kann, unmöglich ist.
Ein Schleifen der Drahtseile kommt nicht vor, weil es sich nicht um ein endloses
Seil, sondern um drei voneinander unabhängige, begrenzt befestigte Seile handelt.
Auf die Haltbarkeit der Seile ist größter Verlaß, was schon daraus hervorgeht, daß im
Luftschiff- und Flugzeugbau, sowie bei Beförderungsanlagen, wie Personen- und Lasten-
aufzügen, unter den größten und wechselnden Beanspruchungen ausschließlich Drahtseile
verwendet werden.
Das J-Rad besitzt kein Zahnrad, keine Kette und keine Welle, trotzdem
jedoch drei Uebersetzungsstufen, die auf der Abbildung deutlich zu sehen sind. Außer-
dem besitzt es einen beliebigen, ohne jede Vorrichtung veränderbaren Arbeitshub und
eine Unabhängigkeit der beiden Fußbewegungen in weitgehendstem Maße. Durch
Beliebige
Beinbewegungen
Möglichkeit
größter Kraft-
entfaltung
Gesundheitliche
Vorteile beim
Fahren
Schonung
der kleider
Bergfahren
Fahren auf der
Ebene
diese verschiedenen Uebeıseizungssiufen ist es dem Fahrer möglich, bei: einfachem
Umsetzen der Füße. von einer Auflage auf die andere verschiedene Geschwindigkeiten
zu fahren. Getriebe mit verschiedenen Uebersetzungen wurden bereits früher für normale
Fahrräder gebaut, doch waren sie alle mehr oder weniger so kompliziert, daß sie mit
der einfachen Lösung, die das J-Rad bringt, nicht zu vergleichen sind.
Die Beinbewegungen ganz verschiedenartig zu gestalten (kurze oder lange Hube bezw.
einen Fuß auf der mittleren, den andern auf der unteren Uebersetzungsstufe), bedeutet
für den J-Radfahrer eine Annehmlichkeit, die das heutige Fahrrad ebenfalls nicht bietet.
Die Aufnahme der Fußkraft-Reaktion erfolgt beim J-Rad nicht in derselben Weise
wie beim gewöhnlichen Fahrrad, sondern durch eine breite und angenehme Rücken-
lehne, die mit dem Sitz und dadurch mit dem Rahmen verbunden ist. Durch diese
Anordnung und infolge der völligen Ausschaltung des Totpunktes ist die Ueberwindung
plötzlicher hoher Widerstände weit eher möglich als bei der bisherigen Fahrrad-Kon-
struktion. Wer die Möglichkeit der Kraftentfaltung durch Rückenabstützung sich ver-
gegenwärtigen will, stelle sich mit dem Rücken gegen eine Wand und drücke mit dem
Fuß gegen einen festen Gegenstand, und er wird sich selbst darüber wundern, welch
große Kraft sich auf diese Weise auswirken läßt.
Das J-Rad hat neben einer besseren Kraftausnützung für den Fahrer noch weiter
ganz wesentliche Vorteile und Annehmlichkeiten. Die völlig aufrechte Körperhaltung
vermeidet ein Einengen der Lunge, ebenso eine übermäßige Beanspruchung
von Herz und Thorax und bedingt so ein der Gesundheit zuträgliches Sitzen und
Fahren. Der äußerst bequeme, gut federnde gepolsterte Sitz trägt viel dazu bei, daß der
Fahrer lange nicht so früh ermüdet, wie bei dem heutigen Fahrrad mit seinem schmalen
und unbequemen Sattel. Die bei diesem durch die ungünstige Armhaltung eintretende
starke Ermüdung der Arme ist beim J-Rad vermieden, da durch die niedere Sitzanordnung
eine vollständige Entlastung der Arme erreicht wird, und die Arme lediglich dazu dienen,
das Fahrrad zu lenken, ähnlich wie bei dem Steuern eines Kraftwagens. ;
Besonders günstig wirkt auch der Wegfall der schmutzigen und öligen Kette,
wie auch die Unmöglichkeit eines Hängenbleibens mit den Beinkleidern. Durch dieses
Hängenbleiben sind mit dem bisherigen Rad — weil der Fahrer in Rücksicht auf seine
Kleider oder aus Bequemlichkeit Klammern oder eine sonstige Schutzvorrichtung nicht
benützte — schon sehr viele und oft recht schwere Unfälle passiert. Das unangenehme
Verstellen der Pedale, sowie ein Verbiegen derselben fällt ebenfalls weg. Bei schlechtem
Wetter macht sich das Fehlen der Kette besonders angenehm bemerkbar, da sich an
den Drahtseilen weit weniger Schmutz festsetzen kann als an einer Kette. Inwieweit
eine mit Schmutz überzogene Kette lähmend auf die Vorwärtsbewegung des Rades ein-
wirkt, brauchen wir wohl nicht weiter auszuführen.
Das J-Rad eignet sich ebenso für die Ebene wie für bergiges Gelände. Durch
die drei Uebersetzungsstufen kann sich der Fahrer ganz dem Gelände anpassen (bei
Bergfahrten durch Benützung der untersten Stufe, auf der infolge des langen Hebels
bei geringstem Kraftaufwand die größte Steigerungsmöglichkeit der Fußkraft besteht).
Im allgemeinen kann jede normale Straße gefahren werden. Bei unseren Probe- und
Vorführungsfahrten sind längere Steigungen bis zu 20°, ohne Schwierigkeiten gefahren
worden. Genaue Zahlen ein für allemal anzugeben, ist nicht möglich, da nicht nur die
Steigung selbst, sondern auch die körperliche Beschaffenheit des Fahrers ausschlag-
gebend ist. Naturgemäß erfordert das Befahren besonders großer Steigungen einen
gewissen Kraftaufwand, da die Fortbewegung des Rades nicht durch motorischen
Antrieb erfolgt.
Beim Fahren auf der Ebene läßt 'sich mit dem J-Rad dieselbe Durchschnitts-Ge-
schwindigkeit erreichen wie mit dem gewöhnlichen Fahrrad. Wenn mit dem gewöhn-
Geschwindigkeit
Verkehrsrad
Freilauf
Bremsen
Abmessungen
Regenschutz-
Vorrichtung
Kindersitz
Gepäckträger
Laterne
Ausführung
lichen Rad ein Vorsprung erzielt wird, bezieht sich der Vergleich auf kurze Strecken;
nach längerem Fahren wird der Vorsprung ausgeglichen, da der J-Radfahrer nicht so
früh ermüdet wie der andere. Bei Gefälle ist wie bei großen Steigungen eine Ueber-
legenheit des J-Rades vorhanden.
Im übrigen ist die ganze Konstruktion des J-Rades nicht auf ein Renn-
oder Sportsrad gerichtet; es soll vielmehr der Allgemeinheit dienen als ein
bequemes, leicht laufendes Verkehrsfahrzeug.
Bei Talabwärtsfahren benützt der J-Radfahrer den Freilauf, wobei er noch die
Annehmlichkeit hat, beide Füße in bequemster Lage nebeneinander stellen zu können.
Wird das Rad geschoben, so stehen die Trethebel ruhig, und da weder Kette noch sonst
ein sich bewegender Teil vorhanden, so ist die Gefahr einer Beschmutzung oder Be-
schädigung der Kleidungsstücke gänzlich ausgeschlossen.
Bei plötzlich auftretenden Hindernissen Stehen dem Fahrer zwei getrennt von
einander und gut wirkende Felgenbremsen, je eine für das Vorder- und Hinterrad, zur
Verfügung.
Das Vorderrad hat 20 Zoll und das Hinterrad 26 Zoll Durchmesser (Normalräder).
Die Gesamtlänge des Rades beträgt 195 cm.
Zum Schutze des Fahrers gegen Regen und Staub kann eine später von uns zu
beziehende Schutzvorrichtung angebracht und vorne sowie hinten befestigt werden, so
daß der Fahrer vollständig geschützt ist. Beim heutigen Rad ist eine Befestigung schon
deshalb nicht möglich, weil der Fahrer beim plötzlichen Auftauchen von Hindernissen
abspringen muß, während der J-Radfahrer, wie beim Motorrad, seinen Sitz beibehält
und die Füße auf den Boden stellt.
An der vorderen bezw. hinteren Partie des J-Rades ist die Anbringung eines
Kindersitzes oder Gepäckträgers vorgesehen, welche ebenfalls von uns bezogen werden
können.
Für eine Laterne ist eine entsprechende Vorrichtung, ähnlich wie beim heutigen
Rad, angebracht.
Die Ausführung des Rades, das durch seine stabile Bauart etwas ‚schwerer ist als
ein gewöhnliches Tourenrad, ist erstklassig. Bestes Material von anerkannt leistungs-
fähigen Fabriken wird für den Bau verwendet. Die Nabe stammt von der weithin
bekannten Firma Fichtel & Sachs in Schweinfurt; der Name dieses Fabrikats bürgt für
die Dauerhaftigkeit. Vorderrad sowie Hinterrad haben Nickelfelgen, so daß alles in
allem das J-Rad nicht nur ein bequemes und angenehmes Fahrzeug ist, sondern auch
in Bezug auf Ausstattung einen eleganten und feinen Eindruck macht.
Hesperus-Werke G. m. b. H.
Hesperus-Werke J-Rad Jaray Werbeschrift 1922
- From
- 1922
- Pages
- 4
- Type
- Advertising paper
- Country
- Germany
- Brand
- Hesperus-Werke
- Source
- Heinz Fingerhut
- Added at
- 11/05/2019
- Tags
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