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Otto LüderS, Obveringenieur °
vereidigter Sachverständiger für das Kammergericht und | s
die Gerichte im Landesgerichtsbezirk Berlin ;
für Fahrräder y sus
urteilt über
Das Anker-Sichelrad ist durch die eigenartige Form und Bauart der Vorderradgabel gekenn-
zeichnet. Ich habe mich durch praktische Prüfungen, vor allem durch Fahrten auf ungewöhnlich
schlechtem Straßenpflaster davon überzeugen können, daß diese neue Gabelform bedeutende fahr-
technische Vorteile bietet, ohne daß demgegenüber irgendwelche Nachteile in Kauf genommen werden
“
mussen.
Das von mir erprobte Anker-Fahrrad — Fabriknummer 239185 — mit der sichelähnlich geformten
Vordergabel wurde beliebig dem Fabriklager entnommen. Die Maschine ist vorn 28:1% Zoll hochdruckbereift.
Die Anker-Werke haben sich dabei von dem Gedanken leiten lassen, daß dadurch ein leichterer Lauf
und leichtere Steuerung des Rades als Vorteil erreicht wird. In diesem Falle mußte dahin gestrebt
werden, die Abfederung des Vorderrades grundlegend so zu verbessern, daß der Nachteil des weniger
elastischen Hochdruckreifens ausgeglichen wird. Das ist in der Tat beim Anker-Sichelrad bestens ge-
lungen. Darüber hinaus wird erreicht, daß das Vordeırad jetzt nicht mehr beim Befahren holprigen Pflasters 2
oder sonstiger Unebenheiten energieverzehrend in Richtung von vorn nach hinten — horizontal — hin und
her schwingt, sondern — dank der sichelähnlichen Gabelform — in vertikaler Richtung federt.
Infolge der fast senkrecht spielenden Vorderrad-Federung rollt oder schwingt sich das Vorderrad —
bei wesentlich geringerer Bodenreibung des Hochdruckreifens — auffallend leicht über schlechtes
Pflaster, Schlaglöcher und wellenförmige Stellen der Fahrbahn hinweg. Je schlechter die Fahrbahn ist, ebenso,
je mehr das Rad belastet ist, desto deutlicher macht sich dieser Vorteil des leichteren Fahrens bemerkbar.
Bereits auf tadelloser Asphalt- oder Betonstraße kommt der Vorteil des leichteren Laufs des Anker-Sichelrades gegen-
über anderen Rädern mit schätzungsweise 5% deutlich währnehmbar zur Geltung. Bei sehr schlechter Pflasterung
steigert sich meiner Schätzung nach die Ersparnis an körperlicher Arbeitsleistung durch
leichteres Ueberwinden der Unebenheiten auf 20bis 25%.
Vor Beginn meiner Versuche war ich der neuen Vordergabel-Bauart gegenüber skeptisch, ja geradezu
mißtrauisch, trotz der bemerkenswerten Erfolge der Anker-Sichelmaschinen anläßlich der S. A. - Fernfahrt Berlin
- München - Berlin. So befürchtete ich hauptsächlich ein „‚Flattern‘‘ oder ‚Schlingern“ des Vorderrades. Davon
kann jedoch keine Rede sein. Ich war höchst angenehm überrascht, ausdrücklich feststellen zu können, daß
sich das Sichelrad es muß selbstverständlich spuren genauso leicht und sicher, auch freihändig
auf schlechtem Pflaster und in Kurven, steuern läßt, wie jedes andere reguläre, gut spurende Fahrrad.
Die Gabelscheiden sind, obwohl sie bei einer nutzbaren Länge von 500 mm rund 25% länger gehalten
sind als die Scheiden der üblichen Gabeln, in dem Gabelkopf so ungemein stabil „verankert“, daß keinerlei
Gefahr eines plötzlichen unvermuteten Bruches besteht. Von größter Bedeutung ist dabei auch die vorbild-
liche Profilierung des Scheiden-Querschnittes. Die Scheiden verlaufen allmählich nach der Vorderrad-
achse- zu inRohrform. Ihr Querschnitt ist so profiliert und in der Wandstärke so bemessen, daß an jeder
Stelle die Beanspruchung auf Durchbiegung resp. Federung nahezu gleich groß ist. Ich stellte bei besonders
heftigen Stößen einen Federweg bis zu 16 mm fest.
Die Sichelgabel ist so kräftig ausgeführt, und aus so ausgesucht gutem, elastisch-
zähfestem Material hergestellt, daß ich meine ursprüngliche Befürchtung, sie könne sich bei starker ,
Beanspruchung verziehen oder eher brechen als eine gewöhnliche Fahrradgabel, längst fallen gelassen habe, Die
Anker-Sichelgabel ist nach meinem Dafürhalten eher allzu stabil ausgeführt; Sicherheit und Zu-
verlässigkeit verlangen aber ein gewisses Uebermaß. Jede erdenkliche Ueberbeanspruchung und Ueber-
lastung muß ohne jede Gefahr überwunden werden ‘können, und das ist bei der Anker-Sichelgabel, wie ich mich
bei meinen Versuchen überzeugen konnte, der Fall.
Zusammenfassend darf ich erklären, daß das Anker-Sichelrad zwar zunächst in fachtechnischer Hinsicht
gewisse Bedenken erregen kann, daß jedoch gerade die völlige Umformung der Vorderrad-
gabel des Fahrrades notwendig und wünschenswert ist, wenn es sich darum handelt, die
Fahreigenschaften des Fahrräades weiter zu verbessern. Den Anker-Werken ist jedenfalls der Ver-
such in jeder Hinsicht voll gelungen, die Vorderradgabel als organisch federnden Bestandteil der Maschine
auszubilden und damit zugleich stark ins Gewicht fallende fahrtechnische Vorteile im Gebrauch des Fahrrades
zu ‚erzielen,
Geheimer Regierungsrat
Dr. ing. Nachtwe
ordtl. Professor für mechanische Technologie, Hütten-
kunde u. Metallographie an der Technischen Hochschule
Hannover, Mitglied der Kaiserl.Leopoldinischen Deutschen Akademie der Naturforscher, Halle a. S.
urteilt über "Anker-S ichelgabel e
Das von den Anker-Werken A.-G. in Bielefeld geschaf-
fene „Sichel-Rad'‘“, richtiger bezeichnet-ein Fahrrad mit Sichel-
gabel, bedeutet in der Fahrradindustrie eine ganz besondere
Neuheit und Verbesserung. Im Gegensatz zu der bisher üblichen
Gabel erhält nach der Erfindung der Anker-Werke die Gabel
eine sichelförmige Krümmung.
Als ich zunächst im Prospekt der Firma die Abbilduns und
dann das neue Rad selbst sah, war ich vom Standpunkte des
Fachmannes aus bereits sofort begeistert. Das hätte man schon
längst machen müssen, war mein erster Gedanke!! Doch das
war nicht so einfach. Man muß bedenken, daß so eine sichel-
förmige Gabel in sicherer Ausführung erst in den Handel ge-
bracht werden konnte, als mit
wesentlicher Steigerung der Güte
des Werkstoffes solche Konstruk-
tionen zulässig wurden, Es muß
ein ganz besonderer Stahl sein,
aus dem diese Sichelgabel her-
gestellt wird, um allen Anforde-
rungen dauernd zu genügen.
Da man seit Jahren in der Indu-
strie bei allen: besonderen Be-
triebsbeanspruchungen Sonder-
stähle verwendet, war es im
vorliegenden Falle nur nötig,
nach genauen Versuchen auch für
die Herstellung der Sichelgabel
den besonderen Stahl in Röhren-
form, etwas verjüngt, _vorzu-
schreiben. Besondere Zusammen-
setzung und Behandlung bürgt
für die Güte und Haltbar-
keit des-Stahls
Ich habe mir die Herstellung
des Sichelrades in Bielefeld am
13. März 1935 genau angesehen;
vor allem die Versuchseinrichtung
zur Prüfung der sichelförmigen Gabelscheiden. Hierbei stellte ich
fest, mit welcher peinlichen Sorgfalt die Anker-Werke darauf
bedacht sind,. ein sicheres und in jeder Beziehung einwandfreies
Markenrad zu schaffen. Jede einzelne Scheide muß vor ihrer
N m m =“
federungsdiagramm
einer normalen Fahrrad-Gabel
/
Ruhende Belastung: 35 Rg.
SI
weiteren Verarbeitung eine außergewöhnlich hohe, für
den Normalverbrauch nie in Frage kommende
Belastungsprobe aushalten; im anderen Falle wird sie
ohne weiteres ausgeschaltet.
Im Gegensatz zur früheren starren Gabel ist die Sichelgabel
elastisch und federnd. Stöße werden von ihr glatt aufgefangen,
Man könnte die Sichelgabel gewissermaßen als „Stoßfänger“
bezeichnen. Bei meinem Besuch bei den Anker-Werken A.-G., war
für mich vor allem auch die „Dauerprüfungs-Einrichtung“ zu be-
gutachten. Künstlich wird hierbei das Rad ohne Halt wechselnden
Erschütterungen ausgesetzt und zwar steht das Sichelvorderrad
auf einem endlosen Riemen, der über 2 Scheiben läuft, Auf der
Seite des Riemens, die dem Rade als Fahrbahn dient, sind in
beliebigen Abständen Holzklötzchen aufgesetzt. Das Rad selbst
wird von oben mit 90 kg beschwert. Man hat nachweisbar das
besichtigte Rad‘ vom 15. Januar 1935 bis jetzt (13. 3. 1935)
Ser ständig laufen lassen, täglich
8 Stunden.
Die Gummibereifung mußte in
dieser Zeit schon 2 mal ausge-
wechselt werden. Die Sichelgabel
zeigt nicht ein einziges Merk-
mal von Ermüdung des Mate-
rials und Erschlaffung, ein Beweis
für das ausgezeichnete Material
und die Konstruktion.
Bei einer zweiten Versuchs-
einrichtung ließen die Anker-
Werke das Rad künstlich über
bedeutendere Unebenheiten rol-
len, die Schwankungen wurden
graphisch aufgenommen. Diese
Schaubilder, wie sie bei alten ge-
raden Gabeln und bei der neuen
Sichelgabel aufgezeichnet wur-
den, zeigen auch dem Laien
deutlich die große Federungs-
möglichkeit und Elastizität
der Sichelgabel.
Alles in Allem ist diese Erfindung in der Fahrradindustrie
eine Errungenschaft, die mit Freuden zu begrüßen ist. Ein Sichel-
Fahrrad hat die vorteilhafte Elastizität des Ballonreifens und ist
dabei wendiger und sieht nicht so klobig aus. Natürlich wirken
Federungsdiagramm
einer_Siche/gabel
sich diese Vorteile auch als Krafters parnis aus, Der Radler
wird viel weniger ermüden, weil die Stöße nicht mehr ihn
treffen, sondern von der Sichelgabel aufgenommen werden.
Anker Sichelgabel Sichelrad Prüfberichte 1936
- From
- 1936
- Pages
- 2
- Type
- Test report
- Country
- Germany
- Brand
- Anker
- Source
- Heinz Fingerhut
- Added at
- 15/04/2019
- Tags
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