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Sonderdruck aus der Zeitschrift »Radmarkt u.Motorfahrzeug«
Nr. 2124 vom 6. Februar 1932 . Verlag der E. Gundlach AG . Bielefeld
Ballonrad
mit federndem Sitz- und Unterrohr.“
Ein altbekannter Fachmann der Fahrrad-, Motorrad- und
Automobil-Branche, Direktor Amandus Glaser von der F/N
Motoren=Gesellschaft m. b. H. in Berlin, hat eine originelle Idee
verwirklicht. Die hohe Elastizität der neuzeitlichen Stahlrohr=
möbel brachte ihn auf den Gedanken, die Vorteile des Stahlrohr=
sessels beim Fahrrad praktisch auszunutzen. Das erscheint zu=
nächst völlig undiskutabel, ganz abgesehen davon, daß wir ja
jetzt längst den brauchbaren, leichtrollenden Ballonreifen für
Fahrräder und darüber hinaus vorzügliche Vorderradfeder=
gabeln und Polstersättel für sehr verwöhnte Fahrer besitzen. Es
ist auf den ersten Blick unverständlich, daß der gewohnte, feste
Rahmenbau verworfen wird, denn unwillkürlich hat man sich
an den Grundsatz gewöhnt, daß der Rahmen eines Fahrrades
möglichst steif und starr sein muß, damit beim Treten keine
Energie durch federndes Nachgeben des Gestells verloren geht.
Das ist für Renn- und Sport=
seitliche Steifigkeit der Hinterradgabel zu erhöhen. Es soll‘Ver-
sucht werden, das’ganze Gestell so zu konstruieren, daß jede
Feuerbehandlung, mit der ja immer eine gewisse Schwächung
und Veränderung des Materials verbunden sein würde, ver-
mieden wird. Ebenso ist bereits der Gedanke aufgetaucht, den
Zusammenbau so weit zu vereinfachen, daß alle Einzelteile in
einem „Fahrrad-Baukasten“ geliefert werden können,
so daß jeder Interessent sich an Hand einer genauen Bauvor-
schrift mit entsprechenden Äbbildungen das Fahrrad eigen =
händig zusammensetzen kann. In verpacktem, demon=-
tiertem Zustande handelt es sich hier um einen zweifellos gang-
baren Export= und Geschenk=Artikel für die bastelnde Jugend.
Doch sei hier gleich hinzugefügt, daß dabei auf die Interessen
und wohlerworbenen Rechte der Industrie und des Groß=- und
Kleinhandels jede mögliche Rücksicht genommen werden müßte.
maschinen zweifellos eine der
Ich war anfänglich die-
wichtigsten Bedingungen.
Bei der Touren=- oder
Gebrauchsmaschine liegen
die Dinge zwar ganz ähnlich.
Auch hier muß Kraftverlust
vermieden werden. Dagegen
wäre es durchaus erwünscht,
wenn das Gestell in vertikaler
Richtung, also innerhalb der
Ebene der beiden Laufräder
und des Gestells, in sich
federn würde. Dadurch wür=
den die Reifen in ihrer Auf-
gabe, Maschine und Fahrer
gegen die Stöße und Er=
schütterungen beim Fahren
über schlechte Straßen zu
schützen, entsprechend ent-
lastet. Die Folge davon wäre
ein leichteres Dahinrollen
sem neuen, federnden Fahr-
rad gegenüber recht skep=
tisch. Vor allem glaubte ich,
daß sich der ‚Rahmen‘ resp.
die Lenkstange beim Fahren
seitlich hin und her biegen
würde. Ich war darum sehr
überrascht, als ich selbst beim
Fahren bergauf feststellen
konnte, daß das neue Gestell
in seitlicher Richtung viel
weniger dem Druck auf die
Pedale ausweicht, als der Rah-
men einer Damenmaschine.
Ich führe diese Seitenfestig-
keit auf die ziemlich hohe
Wandstärke (2,5 mm) des fe-
dernden Hauptrohres zurück.
Auch der Hinterbau, im vor-
liegenden Falle lediglich die
Gabel, bestehend aus den bei-
auf holpriger Fahrbahn, ein
innerer Ausgleich der Stoß=
wirkungen, ein angenehmes,
leichteres Fahren, ein sanfte=
Das neuartige Fahrrad, das unter Änlehnung
an das Prinzip der Stahlmöbel konstruiert wurde.
den extra breiten, unge-
kröpften Rohrscheiden, ist
in jeder Richtung (im wahren
Sinne des Wortes) völlig
res, gleichmäßiges Treten.
Das neue Stahlrohrsitzrad zeigt einen sehr einfachen, dabei
ausreichend stabilen Aufbau. Statt des üblichen geschlossenen
Rahmens ist nur ein einziges, kräftiges Stahlrohr (30x 2,5 mm)
von besonders guter Qualität vorhanden. Es ist V-förmig ge=
bogen; die Schenkel dieses V’s entsprechen dem Sitz- und
Unterrohr; sie sind leicht gebogen. Unten sind mittels kräftiger
Schellen und Klemmbolzen zwei flach profilierte, aber nicht
gekröpfte Stahlrohrscheiden angeordnet, welche die Gabel für
das Hinterrad bilden. Die beiden Streben fehlen, da ja sonst
das Sitzrohr nicht federn resp. schwingen könnte. Das Unter=
rohr ist mittelst einer besonders konstruierten Innenklemme
mit dem Steuerkopf fest verbunden. Da das Oberrohr in Fortfall
kommt, sieht das Fahrrad wie ein Damenrad aus. Das ist nicht
etwa ein Nachteil, denn bei dem heutigen Großstadtverkehr
wird es den meisten Fahrern sehr erwünscht sein, daß sie be=
quemer auf= und absteigen können, als beim Fahrrad mit nor-
malem Rahmenbau.
Das Tretlager ist bei dem ersten Musterrad in einfachster
Weise unten an den Scheiden der Hinterradgabel autogen ange-
schweißt. Es ist jedoch in Aussicht genommen, das Lager
demontierbar einzurichten, und zwar in der Weise, daß die
Spannung der Kette durch Verschieben des Tretlägers oder
mittels Exzenter-Gehäuses reguliert werden kann. In diesem
Falle kommen die geschlitzten Gabelenden in Fortfall, um die
steif und unnachgiebig. Da-
gegen können die beiden Rohrschenkel, das Sitzrohr mit
Sattelstütze und Sattel, ebenso das Unterrohr mit dem an-
schließenden Steuerrohr und der Vorderradgabel innerhalb der
Ebene der Fahrtrichtung in weiten Grenzen federn und schwin-
gen. Und diese Eigentümlichkeit macht sich beim Fahren über
Stuckerpflaster und Asphaltlöcher, über Straßenbahnschienen
und ähnliche Hindernisse sehr vorteilhaft bemerkbar. Die
Maschine rollt mit verblüffender Leichtigkeit und förmlicher
Eleganz über solche Untiefen der Fahrbahn hinweg, ohne daß
die Stöße und Rückschläge der Maschine den Fahrer selbst
richtig erreichen. Ich muß gestehen, daß das Fahren auf diesem
Stahlrohrsitz-Fahrrad für mich alten Radsportsmann geradezu
ein Erlebnis war, obwohl ich als Pionier des Fahrrad-Ballonreifens
guter Vorderradgabelfederung und weicher Sättel sehr verwöhnt
bin. Bisher fuhr man auf einem gut gepolsterten Stuhl auf
Rädern, künftig wird man im weichen Klubsessel fahren können.
So etwa möchte ich den Unterschied kennzeichnen.
Direktor Glaser hat seine Erfindung dem Patentamt vorge-
führt und die Erteilung eines Patents beantragt. Ueber die Frage
der Wirtschaftlichkeit der neuen Bauart läßt sich vorläufig noch
kein Urteil fällen, zumal ınan in der Fahrradbranche mit sehr
konservativen Sitten und Gebräuchen rechnen muß, wodurch die
Einführung vieler guter Neuerungen manchmal sehr erschwert
oder gar unmöglich gemacht wird. Otto Euüders
Neuerung im Fahrradbau
Das von der Firma Amandus Glaser, A. G. B.-Fahrzeugbau,
Berlin herausgebrachte A. G. B.-Super-Blastic-Fahrrad stellt eine
umwälzende Neuerung auf dem bisher im wesentlichen als ab-
geschlossen angesehenem Gebiete des Fahrradbaues dar.
Der grundlegende Unterschied gegenüber den bisherigen Kon-
struktionen liest in dem Aufbau des Rahmens. Während dieser
bisher durchgängig sowohl bei Herren- wie auch bei Damenrädern
als starrer Stahlrohrrahmen mit gelöteten Verbindungen aus-
geführt wurde, besteht der Rahmen des A. G. B.-Rades aus einem
einzigen, V-förmig gebogenen Stahlrohr, das in sich elastisch
Sonderdruck aus der’ ZwF Zeitschrift für
wirtschaftliche Fertigung Nr. 2/1934
Uhlands Technischer Verlag, Leipzig C1
Tretlager tragen. Die Anordnung des letzteren ist in Abb. 2 noch-
mals besonders dargestellt.
Der Rahmen des A. G. B.-Rades ist nach denselben Grund-
sätzen entwickelt wie der Stahlrohrsessel und besitzt daher die-
selbe Blastizität wie dieser. So ist es leicht erklärlich, daß Stöße,
die nicht durch die Ballonbereifung und die Sattelfederung auf-
genommen werden können, sich in vie ingerem Maße auf den
Körper des Fahrers auswirken, als es bei einem starren Rahmen
üblicher Bauart der Fall ist. Dadurch wird Fahren über
schlechte Straßen und unebenes Pflaster bedeutend an Tret-
beim
Abb. 2
und dadurch in der Lage ist, Stöße in der Fahrtrichtung aufzu-
nehmen und auszugleichen.
Das zur Verwendung kommende Rohr besteht aus hochwertigem
Stahl und büßt an Elastizität nichts ein, da an ihm keinerlei Lö-
tungen oder sonstige Warmbehandlungen vorgenommen werden
müssen. Das Rohr selbst wird kalt gebogen und das Gabelrohr
elektrisch eingeschweißt. Auf diese Weise wird jede unnötige Er-
hitzung des Materials vermieden und seine Rlastizitätseigenschaft
somit nicht beeinträchtigt.
Abb.1 zeigt den Gesamtaufbau des Rades. Die eigenartige,
elastische Form des Rahmens machf das Rad zum Einheits-
fahrrad, das sich sowohl als Herren- wie auch als Damenrad
eignet. Die hintere Gabel besteht aus zwei ovalen, geraden
Stahlrohrscheiden, die durch Schellen und Schraubenbolzen mit
dem eigentlichen Rahmenrohr verbunden sind und gleichzeitig. das
Meise &
Berlin W. 57
vu
Tretlager und Befestigung der Hintergabel
Schu
Abb. 3
A.G.
durch einen über 100 kg schweren
Fahrer
Belastungsprobe des
Super-Elastie-Fahrrades
arbeit gespart. Die Nachgiebigkeit der ganzen Konstruktion läßt
es auch verständlich erscheinen, daß der Rahmen viel weniger
durch Stöße beansprucht wird und infolgedessen die Gefahr eines
tahmenbruches viel geringer ist als sonst. Erhöht wird dieses
Sicherheitsmoment noch dadurch, daß die Schädigung des Ma-
terialgefüges an den Lötstellen in Fortfall kommt. (Die elektrische
Schweißung an dem Gabelrohr bedeutet nur eine örtliche Er-
hitzung, durch die keinerlei Gefügeänderung im Stahlmaterial
hervorgerufen wird.)
Außer dem Rahmen sind sämtliche Bauteile normal, so daß
Ersatzteile aus jeder größeren Fahrradhandlung ohne Schwierig-
keiten beschafft werden können. ”
Da der Preis eines A. G. B.-Rades nicht höher ist als der eines
anderen guten Markenrades, dürfte dasselbe berufen sein, in Zu-
kunft auf dem Fahrradmarkt eine ausschlaggebende Rolle zu
spielen. —Zs
sie
A.G.B. Super-Elastic-Fahrräder Sonderdrucke 1932 1934
- Von
- 1932 - 1934
- Seiten
- 2
- Art
- Rad Markt
- Land
- Deutschland
- Marke
- A.G.B
- Quelle
- Heinz Fingerhut
- Hinzugefügt am
- 07.05.2019
- Schlagworte
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